Mutmachgeschichten

Es gibt immer wieder besondere Erlebnisse, Geschichten und Menschen. Hier wollen wir Mutmachgeschichten erzählen, Einblicke in vielfältige unterschiedliche Lebenssituationen geben und zeigen wie unsere Arbeit wirken kann.

Holger – ein unauffälliger Nachbar

Holger brauchte Hilfe – er suchte vor einiger Zeit eine offene Beratungsstelle auf. Ein Mitarbeiter des iBZ besucht ihn nun im Rahmen der Einzelfallhilfe zuhause. Holger wohnt in einem normalen Haus mit vielen Klingelknöpfen. Nach kurzer Zeit geht die Tür auf – nur nicht ganz. Olaf vom iBZ erhascht einen Blick in den Flur. Eine häufige Situation: viel Chaos im Hintergrund, der Wäschekorb quillt über. Holger öffnet die Tür ganz und lässt Olaf ein. Auf dem Wohnzimmertisch stapeln sich die Briefe – viele ungeöffnet. Ja meint Holger, der ganze Papierkram und jetzt so viele Mahnungen, das mache Angst, was solle er tun?

Olaf erklärt ihm die „Lotsenfunktion“ des iBZ: „Wir sichten und sortieren deine Post gemeinsam und schauen, ob du eine Schuldnerberatung bei einer anderen Beratungseinrichtung brauchst. Wir treffen uns nächste Woche und gehen gemeinsam zum Jobcenter. Und was ist mit deiner Scheidung?“ Olaf spricht einen schwierigen Punkt an. Holger fragt, ob er da nicht vermitteln könne – die Flut von Anforderungen und überall nur Ebbe in der Kasse … .

Im Laufe der nächsten Monate arbeitet Holger mit Olaf die wichtigsten Punkte ab. Sie bauen eine vertrauensvolle Beziehung auf. Schließlich folgt Holger Olafs Rat und sucht sich ärztliche Hilfe. Olaf freut sich, auch wenn es über ein Jahr gedauert hat – es ist ein Meilenstein! Im zweiten Jahr der Betreuung sieht Holger immer klarer, wie knapp er an der Verschuldungsspirale mit Wohnungsverlust vorbeigeschrammt ist. Er fühlt sich schließlich gewappnet nicht nur seine aktuellen Probleme zu meistern, sondern auch das richtige „Werkzeug“ zu haben, um mit zukünftigen Krisen besser umgehen zu können.

 

Interview mit Sachas Zeitz – Geschäftsführer des iBZ

Frage: Ist die Geschichte von Holger real?

Sachas Zeitz: Ja unbedingt! Viele von uns fühlen sich ja unverwundbar. Aber es gibt Lebenskrisen, die können uns alle treffen und dann sind längst nicht mehr alle unverwundbar.

Frage: Was passiert dann?

Sachas Zeitz: Viele unseren Klienten haben den Kopf in den Sand gesteckt. Sie fühlten sie durch die Flut der Anforderungen völlig überfordert. Oft kommen dann noch seelische Probleme, Süchte und ein schwieriges soziales Umfeld dazu. Kurzum, es kann schnell gehen.

Frage: Haben Sie ein Beispiel?

Sachas Zeitz: Eine engagierte Frau hat ihre Arbeit verloren. Die massive Sinnkrise führte zu einem gut zweimonatigen Aufenthalt in der Psychiatrie. Niemand leert den Briefkasten. Die Briefe des Jobcenters bleiben unbeantwortet – eine Leistungskürzung tritt ein – das Konto ist überzogen – Mietschulden laufen auf. Sie kommt nach Hause – Panik … .

Frage: Also Jobverlust ist eine echte Gefahr?

Sachas Zeitz: Ja, aber nicht nur Jobverlust, auch Trennung, Suchterkrankungen, latente chronische Erkrankungen und Defizite in der Entwicklung steigern das Risiko deutlich. Richtig dicke kommt es, wenn zwei oder drei Faktoren zusammenfallen – was bei der Entwicklung einer Krise ja leider oft der Fall ist.

Frage: Was bedeutet Lotsenfunktion?

Sachas Zeitz: Wir stabilisieren unsere Klienten und arbeiten mit anderen Einrichtungen eng zusammen, damit die Menschen wieder ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben in unserer Gesellschaft leben können. Wir machen keine Schuldnerberatung oder Suchttherapie – aber wir ebenen die Wege dorthin. Wir bauen dafür Selbstvertrauen und Vertrauen auf. Das ist unsere Lotsenfunktion.

Frage: Gibt es auch Grenzen für ihre Hilfe?

Sachas Zeitz: Manche Menschen sind bspw. seelisch so verwundet, dass es ein Erfolg ist, wenn diese Menschen einfach soweit in sich stabil werden, dass wir bspw. eine Obdachlosigkeit verhindern können. Das ist dann schon viel. Da liegen dann die Grenzen in den Menschen selber. Wir sind Lotsen und Brückenbauer mit unseren Angeboten. Aber natürlich können wir niemanden dazu zwingen, diese auch anzunehmen.